Thema Fusion: Fachinterview mit Kai Münch

Veröffentlicht am 11.06.2021
Kai Münch begleitet als Senior Berater bei Kemper & Schlomski erfolgreich komplexe Umstrukturierungsvorhaben. Seit 14 Jahren steht er Mitbestimmungsgremien und Entscheidungsträgern in diesen wichtigen Umbruchsituationen zur Seite.

In Bezug auf seine aktuelle Projekterfahrung befragen wir Kai zu seinen Erfahrungen bei Fusionen und Post-Merger-Integrationen (PMI). Uns ist es wichtig, insbesondere die Knackpunkte einer erfolgreichen Projektgestaltung zu erfahren, worauf es ankommt und welche Tipps Kai an die Betriebsparteien weitergeben möchte.

Kai, wo siehst du die größte Herausforderung in Fusionsprojekten aus deiner Projekterfahrung?

Aus meiner Sicht sind Projekte wie Fusionen, Übernahmen oder Integrationsvorhaben ähnliche Veränderungsprozesse wie wir Sie in „klassischen“ Restrukturierungsprojekten erleben. Es herrscht eine Unsicherheit bei der Belegschaft über das Kommende und Bleibende, wie den Unternehmensprozessen, den Systemen, der Stellenbesetzung und der zukünftigen Zusammenarbeit.

Neben wesentlichen Treibern einer Fusionsentscheidung, wie der Erhöhung der Marktmacht oder der Marktattraktivität, sind das Erreichen von Kosten- und Ergebnissynergien wesentliche Zielstellungen.

Sogenannte „harte“ Integrations-Maßnahmen zielen in der Praxis auf die Realisierung von Synergie- und Ergebnispotentialen. Dabei erlebe ich es immer wieder, dass die „weichen“ Integrationsmaßnahmen wie Kulturwandel, Kommunikation, Leitbilder und Partizipation vernachlässigt werden. Dies gefährdet die Akzeptanz und damit letztendlich die erfolgreiche Umsetzung des gesamten Projektes.

Was sollten die Betriebsparteien beachten?

Zur Bewältigung der Herausforderungen ist ein konstruktiver und transparenter Austausch der Betriebsparteien von großem Vorteil – hier sind sowohl die Mitbestimmung als auch das Management gefordert.

Meine Empfehlung aus der Beratungspraxis an die Mitbestimmungsgremien: Professionalisierung der eigenen Aufstellung, so dass Kapazitäten und Kompetenzen zur Begleitung des gesamten Fusionsprozesses sichergestellt werden können.

Meine Empfehlung an das Management: Integrieren Sie die Mitbestimmungsgremien frühzeitig, also bereits in der PMI-Konzeptionsphase und sorgen Sie für die notwendige Informationsparität. Mit diesem Schritt schaffen Sie die Basis für ein erfolgreiches Gesamtprojekt. Die Mitbestimmung ist dabei ein wertvoller Partner für den Kulturwandel und bei der Generierung von Beiträgen und Ideen aus Mitarbeitersicht, also für die sehr wichtigen „weichen“ Faktoren einer Integration – auch wenn das Verhältnis oft als „arrangierte Ehe“ verstanden wird.

Die Beachtung dieser „einfachen“ Grundlagen sind darüber hinaus die Garanten für einen „geräuscharmen“ Integrationsprozess.

Wie gelingt eine erfolgreiche PMI?

Die Komplexität einer PMI wird oftmals unterschätzt. Wesentliche Treiber hierfür sehe ich in einer mangelnden Integration der Arbeitnehmer und Ihrer Vertreter. Hinzu kommt eine oftmals unzureichende Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für PMI-Maßnahmen, insbesondere zur Konsolidierung von Prozessen, IT-Systemen und zur Harmonisierung der „Unternehmenswelten“. Hier herrscht oft das Motto „Alles auf einmal und sofort“ und das überfordert die gesamte Organisation. Dies kann dazu führen, dass ursprünglich geplante Synergien und Ziele nicht oder deutlich später erreicht werden. Für einen erfolgreichen Fusionsprozess ist daher meine Empfehlung, alle Stakeholder-Interessen von Anfang an in allen Fusionsphasen zu berücksichtigen.

Welche Fusionsphasen gibt es eigentlich?

Generell gibt es drei Phasen in Fusions-Projekten: die Vor-Fusionsphase, die Fusionsphase und die Integrationsphase (PMI).

  1. Die „Vor-Fusionsphase“ beinhaltet die Konzeptionsphase mit der Planung und Erarbeitung einer Strategie, zum Beispiel hinsichtlich möglicher Partnerunternehmen und der erforderlichen Voraussetzungen für einen Zusammenschluss.
  2. Innerhalb der „Fusionsphase“ erfolgt die sogenannte Due Diligence (sorgfältige Unternehmensbewertung/-prüfung) und der Abschluss der Fusionsverträge. Bereits in dieser Phase erfolgen der Start und die Konzipierung der Integrations- und Synergieprojekte.
  3. Die eigentliche Arbeit beginnt jedoch erst in der „Integrationsphase“! Hier geht es darum, Maßnahmen zum Erreichen der eigentlichen Ziele, also zum Beispiel der Synergieeffekte, detailliert zu erarbeiten. Darüber hinaus werden in dieser Phase Strukturen, Prozesse, Produkte und die IT vereinheitlicht. Erfolgreiche Projektansätze schaffen in dieser Phase auch die Harmonisierung der Unternehmenskulturen.


Und wie kann die Mitbestimmung zielorientiert innerhalb dieser Phasen agieren?

Mein Tipp an die Mitbestimmungsgremien ist, schon frühzeitig das „Gras wachsen zu hören, zu agieren und nicht nur zu reagieren, wenn bereits die wesentlichen Entscheidungen getroffen worden sind. Je Fusionsphase könnte das wie folgt aussehen:

  1. Bereits in der „Vor-Fusionsphase“ besteht die Möglichkeit, sich mit relevanten Stakeholdern zu vernetzen. Des Weiteren kann in dieser Phase versucht werden, über sogenannte „Best-Owner“-Vereinbarungen bestimmte Rahmenbedingungen einer Fusion im Vorfeld abzustecken.
  2. Innerhalb der „Fusionsphase“ sollte der Betriebsrat beginnen, sich projektorientiert aufzustellen. Das Betriebsverfassungsgesetz bietet Möglichkeiten, die eigenen Kapazitäten und Kompetenzen zu erweitern und auch externe Beraterkapazitäten mit strategischem und wirtschaftlichem Sachverstand einzuschalten. In zusätzlichen Rahmen-Regelungen mit der Arbeitgeberseite kann die Zusammenarbeit im Gesamtprozess, das Rollenverständnis und die Aufstellung der Betriebsparteien definiert werden.
  3. Eine eigene Themenlandkarte definiert schließlich, wo und mit welchen Schwerpunkten sich die Mitbestimmungsgremien einbringen wollen.
  4. In der Integrationsphase geht es dann „ans Eingemachte“. Hier sollten sich die Mitbestimmungsgremien mit konkreten Synergiemaßnahmen auseinandersetzen und diese bewerten. Entscheidend ist hierbei, den Rat von Experten einzuholen, um eigene Ideen einzubringen und bei Bedarf Alternativen vorzuschlagen. Manchmal hilft es an dieser Stelle, die richtigen Fragen und Anmerkungen im Gesamtprozess zu platzieren. Zukunftsorientierte Lösungen sollten dabei sowohl auf ausscheidende als auch auf verbleibende Mitarbeitende bezogen werden.


Welche Kompetenzen sind für die Betriebsräte nützlich?

Ein dickes Fell ist auf jeden Fall wichtig, um dem Druck aus dem Projekt und im Rahmen möglicher Verhandlungen standzuhalten. Ein geschlossenes Auftreten der Mitbestimmungsgremien mit einer klaren Positionierung nach Außen sind hierbei wesentliche Erfolgsfaktoren. Zusätzlich empfehle ich den Betriebsräten, so erfahren Sie auch sind, sich unterstützen zu lassen – juristisch, aber auch strategisch/wirtschaftlich. Die Vorteile sind neben der Erweiterung der eigenen Kompetenzen und Kapazitäten, ein Blick „über den eigenen Tellerrand“ hinaus. Der Einbezug Externer mit einer objektiven Einschätzung schärft die Wahrnehmung des Betriebsrates auf Augenhöhe innerhalb der Gespräche mit den Entscheidungsträgern.

Abschließend noch die Frage Kai, was kannst du aus deiner Erfahrung den Entscheidungsträgern mitgeben?

Dazu existieren bereits viele „Binsenweisheiten“. Das Wichtigste aus meiner Sicht ist, die Organisation nicht zu überfordern und die Transformationsgeschwindigkeit so auszurichten, dass die Mitarbeitenden mitgenommen werden.

Die Betriebsparteien sollten gemeinsam das Ziel verfolgen, ihrem Unternehmen zu nachhaltigem Wachstum und Erträgen zu verhelfen. Das sollte auch immer die Basis für eine Fusionsentscheidung sein. Ein ertragsstarkes Unternehmen ist immer die Voraussetzungen für sichere und tarifgebundene Arbeitsplätze.

Danke Kai!

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